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Anstelle des US-Präsidenten nimmt seine Frau Jill Biden an der Krönung teil. Hier mit Akshata Murty, der Ehefrau des britischen Premierministers Rishi Sunak.

© REUTERS/PETER NICHOLLS

Die „besondere Beziehung“ in der Krise: Warum Joe Biden nicht zu Charles’ Krönung kommt

Biden hätte Geschichte schreiben können: Als erster US-Präsident an einer Krönung teilnehmen. Dass er es nicht tut, zeigt, wie seine Prioritäten liegen. Und das ist kein gutes Zeichen für London.

Ein Kommentar von Anja Wehler-Schöck

Kein US-Präsident hat je an der Krönung eines britischen Monarchen teilgenommen. Das ist auf den ersten Blick wenig verwunderlich. Schließlich wurden die USA gewissermaßen als „Gegenentwurf“ zur britischen Monarchie gegründet.

Durch seine Entscheidung, am heutigen Samstag nicht zur Krönung von Charles III. anzureisen, setzt Präsident Biden dennoch ein klares Zeichen. Denn mit einer historischen Teilnahme als erster US-Präsident hätte er den britisch-amerikanischen Beziehungen den – zumindest symbolischen – Schub geben können, auf den man in London so sehnsüchtig hofft.

Seit Ende des Zweiten Weltkriegs pflegen Großbritannien und die USA eine „special relationship“. In ihrer Kampagne für einen EU-Austritt hatten die Brexiteers ganz wesentlich auf die Stärkung dieser Partnerschaft abgestellt. Weg von der EU, hin zu den USA. Ein britisch-amerikanisches Freihandelsabkommen sollte es geben. Doch davon ist man heute weit entfernt.

Von den vielfältigen Chancen, die die Betreiber des Brexits in Aussicht gestellt hatten, hat sich kaum etwas verwirklicht. Im Gegenteil. Großbritannien wird derzeit von einer schweren sozioökonomischen Krise gebeutelt, deren Ende nicht abzusehen ist.

Ein Handelsabkommen mit den USA könnte der britischen Wirtschaft wichtigen Auftrieb verleihen. An der Aufnahme von Verhandlungen hat Präsident Biden bislang jedoch kein Interesse gezeigt.

Und warum sollte er auch. Denn wer hier wen braucht, liegt auf der Hand. Eine enge Beziehung zwischen den beiden Ländern ist für Großbritannien von wesentlich größerer Bedeutung als für die USA.

Mit seiner mehrtägigen Irlandreise Mitte April – vier Wochen vor der Krönung – machte der US-Präsident aus seinen Prioritäten keinen Hehl. Der progressive Trend in Dublin steht ihm politisch deutlich näher als die Irrungen und Wirrungen der Tories in London.

Natürlich sind es vor allem Bidens irische Wurzeln, auf denen seine enge Verbundenheit mit dem Land gründet. Mit diesen ist er in den USA jedoch keineswegs alleine: etwa 36 Millionen Amerikaner geben an, irischer Abstammung zu sein – meist mit großem Stolz. Bidens Reiseentscheidung ist somit auch von innenpolitischer Relevanz.

Daran, mit wem die USA unter seiner Präsidentschaft eine „special relationship“ unterhalten, lässt Biden wenig Zweifel. Und auch auf wessen Seite des EU-Brexit-Grabens sein Herz schlägt.

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