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Przemysl in Polen: Zwei Tage nach dem Angriff Russlands auf die Ukraine hält eine Frau weinend ein geflüchtetes ukrainisches Mädchen im Arm. 

© dpa / Michael Kappeler

Rechtsparteien und Migration: Ungarn bleibt ablehnend, Polen wird offener

Von weit rechts regierte Länder reagieren höchst unterschiedlich auf Migration, stellt eine Dresdner Studie fest. Auch der Einfluss rechter Opposition variiert.

Als am 22. Oktober Giorgia Meloni erste Frau an der Spitze einer italienischen Regierung wurde – der am weitesten rechtsstehenden in 76 Jahren italienischer Republik - begann auf der Stelle wieder der öffentliche Kampf gegen Seenotrettung und das Armdrücken um die Aufnahme schiffbrüchtiger Flüchtender.

Die Rechtsregierungen in Polen und Ungarn machen seit Jahren Stimmung gegen Migrant:innen und schotten ihre Länder gegen sie ab. Einwanderung ist das zentrale Thema, identitär besetzt und ein Identitätskern rechter Parteien.

Doch wie wirken regierende Rechtsparteien auf die Einstellungen ihrer Gesellschaften zur Einwanderung? Anscheinend überaus unterschiedlich, wie einer Studie des Mercator-Forums Migration und Demokratie (Midem) an der TU Dresden zu entnehmen ist, die kürzlich erschien.

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Ein multinational besetztes Forschungsteam des Midem untersuchte darin das Management der ukrainischen Fluchtmigration in zehn europäischen Ländern seit dem russischen Angriff auf die Ukraine am 24. Februar.

Eines der spannendsten Ergebnisse lieferte der Blick auf Ungarn und Polen - die neben Deutschland, Tschechien und die Slowakei eingehender untersucht wurden. Beide Länder hatten sich während der großen Fluchtbewegung vor allem aus Syrien 2015/16 heftig dagegen gewehrt, Flüchtende aufzunehmen beziehungsweise sich an ihrer europäischen Verteilung zu beteiligen.

Das Flüchtlingsnarrativ hat sich in beiden Ländern mit dem Angriff Russlands drastisch verändert: Die Nachbarinnen auf der Flucht gelten in Polen wie Ungarn nicht nur als kulturell näher, sie sind auch als vorgeblich “echte” Kriegsflüchtlinge vor der russischen Aggression willkommener.

Und in fast allen europäischen Ländern plädiere “eine deutliche Mehrheit der Befragten für die Begrenzung von Zuwanderung.

Aus der Midem-Studie zur ukrainischen Flucht in Europa

Die praktischen Konsequenzen freilich könnten nicht unterschiedlicher sein: Polen ist sowohl in absoluten Zahlen als auch pro Kopf der Bevölkerung das mit Abstand wichtigste Aufnahmeland für Flüchtlinge aus der Ukraine geworden, gefolgt von Deutschland und Tschechien.

Fast anderthalb Millionen Menschen aus dem von Moskau angegriffenen Nachbarland sind in Polen untergekommen, das sind 3.900 pro 100.000 Einwohner. Das Engagement seiner Bürger:innen war enorm: Tausende Freiwillige engagierten sich, 68 Prozent spendeten in den ersten Wochen des Krieges.

Rote Laterne an Ungarn

Ungarn dagegen hält die rote Laterne unter den EU-Staaten: Nicht nur die absolut niedrigste Zahl von ukrainischen Geflüchteten ist dort registriert, 30.000 im September, sondern auch die niedrigste Quote: 323 Personen auf je 100.000 ungarische Köpfe, das ist nicht einmal ein Zehntel der polnischen Pro-Kopf-Aufnahme.

Und während Polens nationalkonservative Regierung keinerlei Unterschied machte zwischen Geflüchteten mit ukrainischem Pass und solchen, die als Ausländer:innen vor ihrer Flucht dort lebten, hat Ungarn für Ausländer:innen aus der Ukraine die Tür geschlossen. Seit einem entsprechenden Dekret vom 8. März, stellte Ungarns Helsinki-Komitee fest, können sie nicht mehr Asyl beantragen.

Auch die Haltung zu Ausländerinnen und Ausländern in Polen hat sich geändert – die Dresdner Wissenschaftler:innen von einem “bemerkenswerten Stimmungsbild”, das keineswegs nur die Bürger:innen der benachbarten Ukraine meine.

Einst offene Länder werden skeptisch

In Polen sei “mit Ausnahme von Spanien (…) der Anteil derjenigen, die eine Einschränkung der Zuzugsmöglichkeiten für „Ausländer“ fordern, mit 42 Prozent so klein wie nirgendwo anders in Europa”, und dies in dem Land, in dem die Stimmung vor sieben Jahren besonders ablehnend war.

Die Midem-Gruppe warnt allerdings, darin ein Zeichen allgemein wachsender Offenheit für Migration zu sehen. Positive Grundeinstellungen bröckelten gerade in Ländern, die bisher – wie Schweden - als besonders offen galten.

Und in fast allen europäischen Ländern plädiere “eine deutliche Mehrheit der Befragten für die Begrenzung von Zuwanderung”. Auch in Polen meint eine Mehrheit von 55 Prozent weiterhin, dass das Nein Warschaus zu syrischen Geflüchteten richtig war.

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Hans Vorländer, der Direktor des Midem, hält den Effekt rechter Politik auf Migration daher auch für nicht eindeutig zu fassen. Neben so stark unterschiedlichen Entwicklungen in zwei weit rechts regierten Ländern nennt er auch die ohne solche Regierungen, aber mit starken rechten Parteien:

Trotz AfD: Deutschland liberalisiert weiter

“In Frankreich zum Beispiel versucht Macron eine härtere Antimigrationsrhetorik, aktuell in der Auseinandersetzung um die Bootsflüchtlinge aus Italien”, so Vorländer zum Tagesspiegel. In der Praxis aber ändere der Präsident, der auch mit der migrationskritischen Nationallinken von Jean-Luc Mélenchon zu tun hat, “nicht viel”.

Und Deutschland mit einer starken rechtsradikalen AfD gehe sogar weiter: “Die Ampel stabilisiert ein Integrationsregime, das bereits vorher vergleichsweise liberal war” und hole nach, was die Merkel-Regierungen nicht geschafft hätten, “Stichwort Chancenbleiberecht, Staatsbürgerschaftsreform, Fachkräfteanwerbung”.

Dabei helfe auch, dass die AfD, “ vorsichtiger geworden ist und ihre Rhetorik in öffentlichen Diskursen zurückgefahren hat“, sagt Vorländer. „Einerseits wird sie vom Verfassungsschutz beobachtet, andererseits ist es schwer für sie, das Thema Migration auszuschlachten, das derzeit stark von der Ukraine besetzt ist und anders gesehen wird als die Flucht aus Syrien und dem globalen Süden”.

Auch die Sozialpolitik spiele eine Rolle: “Das Wohngeld steigt, das Bürgergeld wird neu eingeführt und der Mindestlohn erhöht. Wenn öffentliche Transfers hochgefahren werden, wird es schwer, die Unterstützung für die ukrainischen Geflüchteten für eine Polarisierung zu nutzen.”

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