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Leopard-Lieferungen an die Ukraine genehmigen? Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) zögert.

© IMAGO/Christian Spicker

Faktencheck im Panzerstreit: Hängt es wirklich nur an Bundeskanzler Scholz?

Blockiert Kanzler Scholz die Waffenhilfe für Kiew, wie Kritiker ihm vorwerfen? Oder hat die Mehrheit im Bündnis Bedenken gegen Leopard-Panzer für die Ukraine, wie er behauptet?

Kritiker werfen Bundeskanzler Olaf Scholz vor, er verhindere quasi im Alleingang, dass die Ukraine Leopard-Kampfpanzer erhält. Er bestreitet das. Die Meinungen in Nato und EU seien in der Frage geteilt. Welche Darstellung stimmt?

Scholz hat lange darauf verwiesen, dass andere Nationen der Ukraine auch keine Kampfpanzer geben. Dies stimmt inzwischen nicht mehr. Großbritannien liefert Challenger-Panzer.

Schon davor war die Darstellung zumindest irreführend. Zwar stellen auch andere Alliierte schwere Panzer her: die USA den Abrams, die Franzosen den Leclerc. Aber die Ukraine hat sie nicht angefordert. Sie sind aus diversen Gründen weniger geeignet als der Leopard 2.

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Wie groß sind die Lager der Befürworter und der Gegner? „Mir ist nicht bekannt, dass ein Land öffentlich Bedenken gegen die Exportgenehmigung geäußert hat“, sagt Jana Puglierin. Sie leitet das Berliner Büro des European Council on Foreign Relations (ECFR) und ist Expertin für Sicherheitspolitik und den Zusammenhalt Europas.

Nichts deutet darauf hin, dass Joe Biden und Emmanuel Macron gegen eine Lieferung der Leopard sind.

Gustav Gressel, Militärexperte des European Council on Foreign Relations (ECFR)

Die „Neun von Tallin“ haben in einer gemeinsamen Erklärung am 19. Januar die Lieferung von Kampfpanzern gefordert: Großbritannien, Dänemark, die Niederlande, Estland, Lettland, Litauen, Polen, die Slowakei und Tschechien. Finnland möchte Leos liefern, Spanien hatte im Juni einen Vorstoß gemacht. Kanada bildet Ukrainer am Leopard aus. Norwegen und Schweden zählen zu den Befürwortern.

Als zögerlich gelten die neutralen Staaten Österreich und die Schweiz. Sie gehören aber nicht zum Ramstein-Format, in dem die Waffenhilfe koordiniert wird.

Scholz hat betont, dass die Haltungen der USA und Frankreichs für ihn wichtig seien. „Nichts deutet darauf hin, dass Joe Biden und Emmanuel Macron gegen eine Lieferung der Leopard sind“, sagt Gustav Gressel, Militärexperte des ECFR.

Um Leoparden hatte die Ukraine seit dem Frühjahr 2022 gebeten. Anfangs ging es um 88 Leopard 1. Der Hersteller Rheinmetall hatte den Antrag auf eine Exportgenehmigung gestellt. Der Bundessicherheitsrat hat bis heute nicht entschieden. Grüne und Liberale sagen: weil Kanzler Scholz das verhindere.

Hofreiter: Verzögerungen liegen am Kanzler

Auch jetzt bekräftigt der Grüne Toni Hofreiter, Vorsitzender des Europa-Ausschusses des Bundestags: „Nach meiner Beobachtung liegen die Verzögerungen bei Exportgenehmigungen immer am Kanzleramt und dem Verteidigungsministerium.“

Exportanträge und Genehmigungen, die nach dem Kriegswaffenkontrollgesetz vorgeschrieben sind, gehören also auch zum Feld der Halbwahrheiten. Nun wollen mehrere europäische Nationen der Ukraine gemeinsam Leopard-2-Panzer aus ihren Beständen geben, allen voran Polen und Finnland.

Die grünen Minister Annalena Baerbock und Robert Habeck sagen, Deutschland dürfe die Zustimmung nicht verweigern. Das Kanzleramt entgegnet, es liege kein Antrag vor. Den reicht Polen nun ein. Aber dürfen Alliierte darauf vertrauen, dass Scholz zügig und positiv entscheidet, nachdem der Antrag vom April 2022 seit neun Monaten verschleppt wird?

„Es hängt vom politischen Willen ab“, sagt Gressel. „Beim Luftabwehrpanzer Gepard und der Panzerhaubitze 2000 hat der Bundessicherheitsrat zügig genehmigt.“

Deutschland ist also das einzige Herstellerland eines Kampfpanzers, den die Ukraine haben möchte, den Verbündete liefern wollen und dessen Regierung bei der Genehmigung zögert. Das trifft auf amerikanische Abrams, britische Challenger und französische Leclerc nicht zu.

Challenger und Leclerc werden zudem nicht weitergebaut. „Im Krieg geht es um die dauerhafte Nachlieferung von Gerät, Ersatzteilen und Munition. Die sind nur beim Leopard gewährleistet“, erklärt Gressel.

Auf welchem Weg kann die Ukraine die benötigte dreistellige Zahl westlicher Kampfpanzer bekommen? „Der Leopard ist ein europäischer Panzer. Know-how, Wartung, Training sind über Europa verteilt“, sagt Jana Puglierin. „Deutschland ist der Schlüssel für eine Koalition, die Leopard liefert. Die Deutschen haben sie in Ramstein nicht verhindert, sich aber auch nicht aktiv für sie eingesetzt.“

Gustav Gressel ergänzt: „Jemand muss es organisieren. Wenn nicht Deutschland, dann eine Nato-Stelle.“ Der bessere Weg wäre für Puglierin und Gressel, wenn der Kanzler die Initiative ergreift. Er kann die heimische Industrie, die den Leopard herstellt, einbinden, die willigen Lieferpartner koordinieren und er ist entscheidend für die Exportgenehmigung.

Oder, in den Worten des neuen Verteidigungsministers Boris Pistorius: Deutschland ist „die Leopard-Nation“.

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