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Björn Höcke, Vorsitzender der Thüringer AfD, steht nach Ende des Verhandlungstages in einem Fahrstuhl.

© dpa/Hendrik Schmidt

Update

Neonazi-Erfolg, Dämpfer für Höcke-AfD: Was die Kommunalwahlen in Thüringen bedeuten

Am Sonntag wurden in Thüringen kommunale Räte und Bürgermeister gewählt. Was bedeutet das Ergebnis für die Landtagswahl in drei Monaten? Eine Schnellanalyse.

Am Sonntag waren 1,7 Millionen Thüringer zu Kommunalwahlen aufgerufen. Was bedeuten die Ergebnisse für die Parteien? Welche Signale senden die Bürgerinnen und Bürger vor der mit Spannung erwarteten Landtagswahl am 1. September? Am Montagvormittag war die vollständige Auszählung noch nicht abgeschlossen.

Es zeichnete sich aber ab, dass die in Thüringen gesichert rechtsextremistisch eingestufte AfD zwar zugelegt hat, den erhofften Durchmarsch aber verpasst. Sie versäumte es, schon im ersten Wahlgang, Landratsämter und Bürgermeisterposten zu gewinnen. Die befürchtete „blaue Welle“ riesiger AfD-Siege blieb somit aus.

Nach Einschätzung des Dresdner Politikwissenschaftlers Hans Vorländer blieb die AfD unter ihren selbst gesteckten Zielen geblieben. „Nach jetzigem Stand kann man der AfD keinen Durchmarsch attestieren. Die schlimmsten Befürchtungen sind nicht eingetreten“, sagte der Direktor des Zentrums für Verfassungs- und Demokratieforschung der Deutschen Presse-Agentur am Montag in Erfurt. Das gelte vor allem für die Eroberung von Landratsämtern oder Rathäusern in den großen Städten.

Zwar zeichnen sich in mehreren Regionen Stichwahlen mit AfD-Beteiligung ab. Damit könnte die Partei von Rechtsaußen Björn Höcke im Freistaat noch kommunale Spitzenämter erobern. Doch laut Vorländer hat sie bei der Entscheidung in zwei Wochen nicht die besten Chancen, diese auch zu gewinnen. Die Erfahrungen in den vergangenen Monaten hätten gezeigt, dass in den Stichwahlen die demokratischen Kandidaten in der Regel mehr Unterstützung bekämen als die AfD-Bewerber.

Vorländer, Direktor des Zentrums für Verfassungs- und Demokratieforschung, sprach von einem Dämpfer für die AfD, dessen Auswirkung auf ihre Position bei der Thüringer Landtagswahl im September aber derzeit noch nicht klar sei. Bei der Landtagswahl gehe es vor allem um einen Dreikampf zwischen Ministerpräsident Bodo Ramelow (Linke) sowie den Spitzenkandidaten von CDU und AfD, Mario Voigt und Björn Höcke.

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Höcke will bei der Landtagswahl am 1. September stärkste Kraft werden. Bei der Wahl 2019 war er mit 23,4 Prozent auf dem zweiten Platz gelandet. Jüngste Umfragen deuteten auf einen Popularitätsverlust der AfD hin, zunächst nach der Geheimkonferenz in Potsdam („Remigration“), zuletzt nach den diversen Skandalen der AfD-Europa-Spitzenkandidaten Maximilian Krah und Petr Bystron.

Vorländer äußerte sich außerdem zurückhaltend zum Thema Brandmauer zwischen CDU und AfD. „Dieser Begriff führt vielfach nicht weiter.“ Problematisch sei es dann, wenn die AfD in den Kommunalparlamenten einen Antrag einbringe - beispielsweise zur Ausländerpolitik - und die anderen Parteien oder Initiativen stimmten zu. Anders sei aus seiner Sicht die Lage, wenn die AfD bestimmten Anträgen, wie beispielsweise zur Straßenplanung in einem Ort, zustimme. „Da ist es Quatsch, von Brandmauer zu reden.“

Im Landkreis Hildburghausen schaffte es Neonazi Tommy Frenck in die Stichwahl um den Landratsposten. Frenck erreichte mit 24,9 Prozent der Stimmen Platz zwei, knapp vor dem CDU-Kandidaten. Sven Gregor (Freie Wähler) erreichte 42,4 Prozent. Die AfD hatte auf eine Kandidatur verzichtet.

Die Linke von Ministerpräsident Bodo Ramelow, der seit 2014 das Land regiert, gelang kein maßgeblicher Sieg. Parteichefin Ulrike Grosse-Röthig tröstete sich mit Blick auf ausgebliebene AfD-Erfolge, Thüringen sei „nicht mit einem Schlag blau geworden“.

Ein Teil der Linken-Mitglieder war in das im Januar gegründete Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) gewechselt. Ramelow hat das Problem, dass die Landtagswahl ein wenig auf ein Duell zwischen Höcke und Mario Voigt (CDU) hinausläuft, eine brutale Demütigung für einen amtierenden Regierungschef. In der letzten Landtagswahlumfrage liegt die Linke bei nur 16 Prozent, der Hälfte dessen, was sie bei der Wahl 2019 erzielte.

BSW trat nur in einzelnen Landkreisen an

Das BSW hatte sich schon vor Sonntag bemüht, den Signalcharakter der Kommunalwahl zu relativieren. Das BSW war nur in einzelnen Landkreisen und Gemeinden angetreten. „Das Ergebnis der Kommunalwahl wird keine Aussagekraft haben“, sagte die Thüringer BSW-Landesvorsitzende Katja Wolf dem Tagesspiegel.

Wahlhelfer zählen in der Bibliothek im Alten Rathaus Hildburghausen die Stimmzettel bei den Kommunalwahlen aus.

© dpa/Michael Reichel

Die oppositionelle CDU, die von 1990 bis 2014 den Ministerpräsidenten bzw. die Ministerpräsidentin gestellt hat, setzt bei der Landtagswahl auf Sieg. Ihr Erfolg bei der OB-Wahl in Erfurt, wo Ordnungsdezernent Andreas Horn (CDU) auf Platz eins landete, dürfte sie beflügeln. Der Spitzenkandidat für die Landtagswahl, Mario Voigt, sprach von einem „guten Tag“. Er verwies auf die Siege von CDU-Kandidaten bei den OB-Wahlen in Weimar, Suhl und Altenburg.

Für die strukturell schwache SPD in Thüringen war der Wahlsonntag wenig erfreulich. Landesweit dürfte sie Stimmen verloren haben. In der Landeshauptstadt Erfurt, der größten Stadt des Landes, erreichte der seit 2006 regierende Oberbürgermeister Andreas Bausewein (SPD) eine Schlappe.

Er erreichte nur als Zweitplatzierter die Stichwahl, nach Ordnungsdezernent Andreas Horn (CDU). 2018 hatte Bausewein mit 30 Prozent noch etwa acht Prozentpunkte vor der CDU-Kandidatin gelegen. In zwei Wochen findet die Stichwahl statt. Ein Trostpflaster für die Genossen: In Schmalkalden bestätigten die Bürger Bürgermeistern Thomas Kaminski (SPD) gleich im ersten Wahlgang.

SPD in Landtagswahlumfrage bei 7 Prozent

Die SPD liegt in der neuesten Landtagswahlumfrage bei 7 Prozent. Der Spitzenkandidat und Innenminister Georg Maier (SPD) gilt als solide, muss aber mit dem Problem einer mangelnden Machtperspektive leben. Vor der Landtagswahl könnten sich SPD-geneigte Wähler dafür entscheiden, der CDU ihre Stimme zu geben, um Höckes AfD als stärkste Fraktion im Landtag zu verhindern.

Gleiches gilt für Anhänger der ebenfalls historisch schwachen Grünen, wie die SPD Teil der Minderheitsregierung Ramelow. Die Grünen konnten in den Unistädten Erfurt und Jena überdurchschnittliche Ergebnisse erzielen. Bei der Landtagswahl müssen sie, Stand heute, vor der Fünf-Prozent-Hürde zittern. 2019 hatten sie sie mit 5,2 Prozent nur knapp überwunden.

Die FDP, die in Thüringen unter einer strukturellen Schwäche leidet, kann immerhin auf das ordentliche Abschneiden von Jenas amtierenden Oberbürgermeister Thomas Nitsche (FDP) verweisen. Er erreichte im ersten Wahlgang den ersten Platz. Kathleen Lützkendorf (Grüne) landete auf Platz 2, sodass am 9. Juni eine Stichwahl FDP gegen Grüne stattfindet – hat es das jemals gegeben?

Landesweit dürften die Liberalen gegenüber 2019, als sie 4,8 Prozent erreicht hatten, Stimmen verloren haben. Ihre Chancen auf einen Einzug in den Landtag im September sind, Stand heute, minimal.

Die jüngste Landtagswahl-Umfrage sieht die FDP bei 2 Prozent. Das Institut Infratest Dimap weist die FDP gar nicht mehr aus. Thüringens FDP wird von der Bundes-FDP nicht finanziell unterstützt. Ihr Landesvorsitzender, Kurzzeit-Ministerpräsident Thomas Kemmerich, liegt mit der Bundesführung über Kreuz.

Die sonstigen Parteien, darunter zahlreiche lokale Gruppierungen, kamen wieder auf eine vergleichsweise hohe Zustimmung. Bei den Kommunalwahlen 2019 hatten sie landesweit 15,4 Prozent erreicht. (mit dpa)

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