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Ministerpräsident Dietmar Woidke (r.) und Ministerin Katrin Lange (SPD)

© Ottmar Winter PNN/Ottmar Winter PNN

Neue Kenia-Konflikte in Brandenburg: Dietmar Woidke lehnt Habecks Heizungsgesetz ab

Die Zeiten sind vorbei, in denen sich das Bündnis aus SPD, CDU und Grünen für ruhiges Regieren rühmen konnte. Überraschenderweise schließt Woidke das Heizungsgesetz der Ampel kategorisch aus.

Im Brandenburger Kenia-Regierungsbündnis aus SPD, CDU und Grünen spitzen sich ein Jahr vor der Landtagswahl Konflikte zu: So hat Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) am Dienstag überraschend seine Zustimmung zum Heizungsgesetz der Ampel-Bundesregierung kategorisch ausgeschlossen, und zwar wegen der für ihn nach wie vor fehlenden sozialen Ausgewogenheit, drohender Belastungen für Mieter und Hausbesitzer und der Überforderung von Kommunen. Zuvor hatte der Grünen-Koalitionspartner die Pläne gelobt.

„Ich werde dem Gesetz nicht zustimmen“, erklärte Woidke vor Journalisten in Potsdam. Auf Tagesspiegel-Nachfrage, ob auch juristische Schritte wie ein Gang nach Karlsruhe möglich seien, sagte er: „Rechtliche Schritte werden gegenwärtig geprüft.“

Dabei geht es dem Vernehmen nach um die bisher nicht vorgesehene Einbeziehung des Bundesrates. Konkret verwies Woidke darauf, dass nach den Plänen Vermieter bei Heizungsumstellungen 50 Cent je Quadratmeter auf Mieter umlegen dürften, „ich halte das für sozial unausgewogen.“

Keine gemeinsame Ernährungsstrategie für Brandenburg

Der zweite Konflikt: Nach einem Veto durch Finanzministerin Katrin Lange (SPD) wird die Landesregierung nun definitiv keine gemeinsam getragene Ernährungsstrategie für Brandenburg verabschieden, wie es das von Grünen-Ministerin Ursula Nonnemacher geführte Gesundheitsministerium vorhatte, um die „Ernährungswende“ im Land voranzutreiben – hin zu gesünderem, regionalerem Essen und weniger Fleischkonsum auch in Kantinen.

„Es wird keinen Kabinettsbeschluss über eine Ernährungsstrategie des Landes Brandenburg geben“, bestätigte Lange am Dienstag gegenüber dieser Zeitung. Stattdessen sei nun beabsichtigt, „dem Kabinett in alleiniger Ressortverantwortung eine Besprechungsunterlage zu diesem Thema zur Kenntnis zu geben.“ Sie sei zufrieden mit dem Ergebnis.

Wir in Brandenburg glauben an die Möglichkeit der Wahl. Und das muss auch so bleiben, auch wenn das einigen nicht passt. Da muss es auch in Zukunft alles geben, von der leckeren Salatbar bis zur herzhaften Currywurst als bewährtem Kraftriegel des Verwaltungsfacharbeiters.

Katrin Lange (SPD), Finanzministerin in Brandenburg

Zuvor brachte am Montag auch ein Chefgespräch der beiden Ministerinnen keine Einigung – ein letzter Kompromissversuch, nachdem Lange der 77-Seiten-Vorlage aus dem Nonnemacher in einem monatelangen Tauziehen die Mitzeichnung verweigert hatte. Die Strategie setzt zwar auf das Freiwiligkeitsprinzip. Dennoch begründete Lange ihre Einwände neben der ungenügenden Einbeziehung der heimischen Landwirtschaft vor allem auch mit der Sorge vor zu großer staatlicher Bevormundung, vor einer womöglich drohenden Vegetarisierung der Kantinen im Land.

„Wir in Brandenburg glauben an die Möglichkeit der Wahl. Und das muss auch so bleiben, auch wenn das einigen nicht passt“, erklärte Lange etwa. „Da muss es auch in Zukunft alles geben, von der leckeren Salatbar bis zur herzhaften Currywurst als bewährtem Kraftriegel des Verwaltungsfacharbeiters.“ Es müsse auf „den Tisch, was den Leuten schmeckt.“ Das Ganze erinnerte an den Currywurststreit bei Volkswagen, den Ex-Kanzler Gerhard Schröder (SPD) mit seiner Philippa gegen die Kantinenpolitik in Wolfsburg ausgelöst hatte.

Koalitionsvertrag sieht für Brandenburgs Kitas und Schulen gesunde Lebensmittel vor

Die Passagen im Kenia-Koalitionsvertrag aus dem Jahr 2019 zur Ernährungsstrategie selbst sind allgemein. „Wir setzen uns dafür ein, dass das Mittagessen in den Kindertagesstätten und Schulen überall in Brandenburg aus gesunden Lebensmitteln mit einem hohen regionalen beziehungsweise ökologischen Anteil besteht“, heißt es dort. „Die Koalition will in Abstimmung mit dem Ernährungsrat Brandenburg eine Ernährungsstrategie in der Region erarbeiten.“ Von einer Regierungsstrategie ist nicht die Rede, was der konservativen Sozialdemokratin aus der Prignitz einen Ansatz lieferte.

Lange, auch SPD-Vizeparteichefin, gilt zugleich als engste Vertraute von Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD). Der stellte am Dienstag nach der Sitzung des Kabinetts die bereits angekündigte gemeinsame Bundesratsinitiative der Länder Brandenburg und Berlin zur Beschleunigung von Planung und Bau von Bahninfrastruktur vor, die beide Landesregierungen vorher auf den Weg gebracht hatten.

Das zumindest ist unstrittig, auch in der Koalition. Es trägt den Titel „Klimaschutzbeschleunigungsgesetz Schiene“. Die Idee hatten Woidke und Berlins Regierender Kai Wegner (CDU) beim gemeinsamen Bahngipfel vor einigen Wochen entwickelt. Bei Bahn-Projekten, so das Ziel, soll künftig bei Klagen allein das Bundesverwaltungsgericht zuständig sein, der bisherige Instanzenweg wegfallen, und zwar nach dem Vorbild des Verkehrswegebeschleunigungsgesetzes vom Anfang der 90er Jahre für den Aufbau Ost.

Wenn ein zweites Gleis parallel zu vorhandenen Schienen wie zwischen Cottbus und Lübbenau gebaut werden sollen, sollen alternative Trassenprüfungen und die dafür bisher nötigen Umweltverträglichkeitsprüfungen wegfallen, solche Projekte als „grundsätzlich im öffentlichen Interesse“ gelten. Alle anderen ostdeutschen Länder tragen die Initiative mit.

Ein Dauerstreitthema in der Koalition bleibt die Flüchtlingspolitik. Nachdem die Union bereits mit ihrer Unterschriftensammlung für stationäre Grenzkontrollen bei SPD und Grünen in der Koalition Kritik erntete, legte Innenminister Michael Stübgen (CDU) mit Gedankenspielen zum Verzicht auf das individelle Grundrecht auf Asyl nach, nannte in einem Radio-Interview mit dem Deutschlandfunk die Genfer Flüchtlingskonvention ausreichend. Grünen-Fraktionschef Benjamin Raschke reagierte eisig: „Das ist eine Debatte, die wir bisher von Rechtsextremen kennen. Wir erwarten von einem Innenminister, dass er Grundrechte schützt.“

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