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Polizeibeamte stehen hinter explodierendem Feuerwerk. Nach Angriffen auf Einsatzkräfte in der Silvesternacht hat die Diskussion um Konsequenzen begonnen.

© dpa/Julius-Christian Schreiner

Update

Die Polizei ist skeptisch: Berlin strebt bundesweite Böller-Regelung an

Mit dem Vorsitz der Innenministerkonferenz will Berlin Verkaufs- und Böllerverbote vorantreiben. Doch die Regierende Giffey mahnt: Es „muss umsetzbar sein“.

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Nach den Böllerexzessen in der Silvesternacht und massiven Attacken auf Polizei und Feuerwehr hat Berlins Regierende Bürgermeisterin Franziska Giffey (SPD) „eine bundesweite Debatte über Konsequenzen“ gefordert. „Die Innenminister aller Bundesländer müssen darüber beraten, wie man künftig mit dieser Situation umgeht“, sagte sie am Montag.

Damit versucht Giffey, Berlin an die Spitze der Debatte zu setzen, denn die Hauptstadt übernimmt nächste Woche den Vorsitz der Innenministerkonferenz. Das werde Berlin nutzen, um eine bundeseinheitliche Regelung zu thematisieren, sagte Giffey. Es könne bei Einschränkungen von Böllern oder Verboten keine Insellösung nur für Berlin geben.

In der Silvesternacht hatte es in mehreren Städten Angriffe mit Böllern und Schreckschusswaffen auf Rettungsdienste, Feuerwehr und Polizei gegeben. Die Berliner Feuerwehr registrierte 38 Übergriffe, 15 Einsatzkräfte seien verletzt worden, eine davon musste stationär in ein Krankenhaus aufgenommen werden. 18 Polizisten wurden verletzt, davon ein Beamter schwer. Die Polizei musste die Feuerwehr mehrfach bei ihren Einsätzen schützen.

Berlins Regierende Bürgermeisterin Franziska Giffey (l., SPD) brachte am Sonntag eine Ausweitung von Böllerverbotszonen ins Spiel, zeigte sich am Montag aber vorsichtiger. Innensenatorin Iris Spranger (SPD) will in der Innenministerkonferenz über die Ausweitung von Böllerverbotszonen sprechen. 

© IMAGO/Emmanuele Contini

Bereits am Sonntag hatte Giffey eine Ausweitung von Böllerverbotszonen ins Spiel gebracht. Auch Umweltsenatorin Bettina Jarasch (Grüne) hatte mehr Verbotszonen gefordert. Am Montag zeigte sich Giffey vorsichtiger. „Ganz entscheidend ist: Wenn man ein Verbot, eine Einschränkung ausspricht, muss sie umsetzbar sein“, sagte sie. Das müsse gemeinsam mit Polizei und Feuerwehr besprochen werden.

Auch Kultursenator Klaus Lederer (Linke) sieht eine Ausweitung von Verbotszonen kritisch, weil dafür viele Einsatzkräfte benötigt würden, sagt er dem RBB. Polizisten sollte dafür eingesetzt werden, „für was sie da sind, und nicht für Katz-und-Maus-Spiele in der Stadt“. Nötig sei vielmehr ein Böllerverkaufsverbot.

Innensenatorin Iris Spranger (SPD) erklärte, sie wolle in der Innenministerkonferenz über die Ausweitung von Böllerverbotszonen sprechen. Die Vorfälle in der Silvesternacht hätten gezeigt, dass ein Umdenken nötig sei. Dazu zählte sie auch eine Beschränkung privater Feuerwerke.

Bundesinnenministerin gegen generelles Böllerverbot

Spranger sprach sich für eine Anpassung des bundesweiten Sprengstoffgesetzes aus. „Ich appelliere an die Bundesländer, Initiativen aus Berlin im Bundesrat zu unterstützen, um das Sprengstoffgesetz dahingehend anzupassen, dass jedes Bundesland weitgehende Beschränkungsmöglichkeiten erhält bis hin zum Verbot des privaten Einsatzes von Pyrotechnik.“

Eine 2019 eingebrachte Berliner Bundesratsinitiative, mit der Kommunen im Sprengstoffgesetz mehr Rechte zum Verbot privater Feuerwerke bekommen sollte, wurde wegen fehlender Mehrheiten vertagt und ist versandet. Das Bundesinnenministerium hatte im Sommer erklärt, dass noch nicht abschließend über eine Reform entschieden sei. „Weder in der Bevölkerung noch in den Ländern oder Parteien ist bisher nach Wahrnehmung des Bundesinnenministeriums eine klare Mehrheit für weitere Verbote erkennbar“, hieß es.

Die Zahl der Einsatzkräfte, die Verbote überwachen und umsetzen können, ist begrenzt.

Eine Sprecherin der Berliner Polizei

Am Montag lehnte Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) ein generelles Böllerverbot in Deutschland ab. „Das bestehende Recht bietet bereits umfassende Möglichkeiten, um das Abbrennen pyrotechnischer Gegenstände zu verbieten oder auch zu begrenzen“, sagte sie.

Berliner Polizei gegen mehr Verbotszonen

Die Berliner Polizei äußerte sich zurückhaltend. „Die Zahl der Einsatzkräfte, die Verbote überwachen und umsetzen können, ist begrenzt“, sagte eine Sprecherin. „Jede Regelung sollte den Anspruch haben, auch umsetzbar zu sein, damit die Menschen an das Land Berlin und das rechtsstaatliche System glauben.“

Damit bekräftigte die Polizei die Position von Präsidentin Barbara Slowik, die in der nächsten Woche gemeinsam mit Landesbranddirektor Karsten Homrighausen vom Senat angehört wird. Slowik hatte bereits vor Silvester erklärt, dass die Polizei flächendeckende Verbote nicht durchsetzen könne. Wer die Böllerei deutlich einschränken wolle, müsse über ein Verkaufsverbot wie zum Jahreswechsel 2021/22 – damals wegen der Corona-Pandemie – nachdenken. Das sei aber Sache des Bundes.

Bezirksbürgermeister für Verkaufsverbot

Neuköllns Bezirksbürgermeister Martin Hikel (SPD) sprach sich ebenfalls für ein Verkaufsverbot von Feuerwerk aus. „Ich finde es richtig, dass wir uns auch darüber unterhalten, welchen Stellenwert die Böllerei für uns gesellschaftlich hat und ob man den Verkauf einschränken sollte“, sagte Hikel der „Welt“. Ein entsprechendes Verbot müsse deutschlandweit gelten. Zudem sollte aus Sicht des SPD-Politikers für den Erwerb von Schreckschusspistolen zumindest der kleine Waffenschein nötig sein.

Der Bezirk Neukölln war einer der Schwerpunkte bei den Ausschreitungen in der Silvesternacht. Es habe Szenen gegeben, die ihn an „bürgerkriegsähnliche Zustände“ erinnert hätten, sagte Hikel der „Welt“ dazu. „In einzelnen Fällen wurden Rettungskräfte bewusst in einen Hinterhalt gelockt, um sie dort anzugreifen. Das ist ein hochkriminelles Verhalten.“

Unsere Polizei braucht eine moderne Ausstattung, damit wir sie besser schützen können.

Kai Wegner, Berliner CDU-Landes- und Fraktionschef

Die Ausweitung weiterer Böllerverbotszonen hält Hikel indes für wenig sinnvoll. „Die Kolleginnen und Kollegen der Polizei werden große Probleme haben, noch größere Verbotszonen flächendeckend zu überwachen“, meinte er.

Wegner fordert modernere Ausstattung der Polizei

Berlins CDU-Landes- und Fraktionschef Kai Wegner forderte in der Diskussion um ein mögliches Böllerverbot nach Angriffen auf Rettungs- und Sicherheitskräfte eine modernere Ausstattung der Polizei. „Wir müssen hier endlich ran“, sagte der Spitzenkandidat seiner Partei im Berliner Wahlkampf im RBB-Inforadio am Dienstagmorgen. „Unsere Polizei braucht eine moderne Ausstattung, damit wir sie besser schützen können.“

Es brauche etwa sogenannte Bodycams, um Einsätze besser zu dokumentieren, aber vor allem auch, um „beweissicher Straftaten festzustellen, damit wir dann die Täter wirklich hinter Schloss und Riegel bringen“. Hier versage der Senat „auf ganzer Linie“.

Zuvor hatte Innensenatorin Spranger 4000 zusätzliche Bodycams für die Einsatzkräfte gefordert. Derzeit sind 300 Geräte im Einsatz, 50 davon bei der Feuerwehr. „Ich werde mit allen Beteiligten über weitergehende Schutzmaßnahmen und Lösungsansätze sprechen“, hatte die Senatorin am Montag erklärt. Gespräche dazu seien auch mit Polizeipräsidentin Slowik und Landesbranddirektor Homrighausen geplant.

Mit Blick auf die Herkunft der Täter in der Silvesternacht forderte Wegner Aufklärung durch Spranger. „Ich will hier eine klare Faktenlage von der Innensenatorin hören, wo die Täter herkommen, wo der Täterkreis ist“, betonte Wegner. Dann brauche es Aufklärung und Bildungsarbeit in den Schulen, „um dort deutlich zu machen, die Polizei, dieser Rechtsstaat, das ist nicht der Feind, sondern der Freund.“ (mit dpa)

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