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Unversöhnlich stehen sich Israelis und Palästinenser gegenüber, hier in Nablus.

© IMAGO/ZUMA Wire

Peking will im Nahostkonflikt vermitteln: Kann China zwischen Israelis und Palästinensern Frieden stiften?

Seit Jahrzehnten bemühen sich die USA und Europa, den Nahostkonflikt zu lösen. Jetzt will China es versuchen. Was kann Peking erreichen – und was nicht?

Erfolg macht Lust auf mehr Erfolg. So könnte Chinas Motto lauten, wenn es um sein Engagement im Nahen Osten geht. Erst vor wenigen Wochen überraschte Peking die Welt mit einem diplomatischen Coup.

Die Erzfeinde Iran und Saudi-Arabien wollen ihre Dauerfehde offiziell beilegen und wieder diplomatische Beziehungen aufnehmen. Gespräche unter chinesischer Vermittlung haben offenbar entscheidend zu dieser überraschenden Annäherung beigetragen.

Nun schickt sich die Volksrepublik an, wieder in der Region zu punkten: China will als Vermittler Frieden zwischen Israelis und Palästinensern stiften und damit den Konflikt aller Konflikte beenden. Gespräche zwischen beiden Seiten sollten so schnell wie möglich wieder aufgenommen werden, teilte Außenminister Qin Gang jetzt mit.

Was kann und will Peking mit seinem neuen diplomatischen Vorstoß erreichen?

Eher wenig, da sind sich Experten weitgehend einig. „Entscheidend ist doch: Was können die Chinesen anders und damit besser machen als die vielen Vermittler vor ihnen? Und die Antwort lautet: Das hat China noch nicht preisgegeben“, sagt Daniel Gerlach, Chefredakteur des Nahostmagazins „Zenith“. Der Volksrepublik fehlten jedoch schlicht die Mittel, um Druck auf die Konfliktparteien auszuüben.

„Für die Führung in Peking geht es deshalb in erster Linie darum, sich mit Angeboten als neue Mediationsmacht zu profilieren – als Gegenmodell zum erfolglosen Westen.“ China könne zwar arabische Vermittlungsversuche unterstützen. Aber es sei mehr als fraglich, ob China bessere Ergebnisse zustande bringe.

Ähnlich skeptisch ist Andrew Small vom German Marshall Fund. „Peking will zeigen, dass es diplomatisch aktiv ist, und versuchen, sich als konstruktiverer und effektiverer politischer Akteur darzustellen als die Vereinigten Staaten“, sagt der China-Experte. „Aber ich glaube nicht, dass irgendjemand erwartet, dass sie überhaupt etwas liefern.“

China habe schon früher versucht, sich in die israelisch-palästinensischen Verhandlungen einzuschalten, indem es „Friedensgespräche“ organisierte.

Doch dies sei im Wesentlichen die Simulation eines Prozesses gewesen: „Um den arabischen Staaten, die Pekings enge Beziehungen zu Israel kritisch betrachteten, zu zeigen, dass das Land versucht, seine Beziehungen zu nutzen, um Vorteile für die Palästinenser zu erreichen. Aber niemand der Beteiligten hat sie ernst genommen“, sagt Small. „Sie haben einfach höflich mitgespielt.“

Peking versucht sich als konstruktiverer und effektiverer politischer Akteur darzustellen als die Vereinigten Staaten.

Andrew Small, China-Experte

Womöglich setzt China gar nicht vorrangig darauf, den Nahostkonflikt zu befrieden. „Peking versucht gerade als vorgeblich neutrale Macht, die Länder des Nahen Ostens, die ölreiche arabische Welt, aber auch Ägypten in das Lager der sogenannten Brics-Staaten zu ziehen.“ Das ist eine federführend von China initiierte Vereinigung aufstrebender Volkswirtschaften, der unter anderem Südafrika, Indien und Russland angehören.

Worüber könnte China als Vermittler mit Israelis und Palästinenser überhaupt verhandeln?

Eigentlich gibt es derzeit so gut wie nichts zu bereden, sagt Daniel Gerlach. Der Konflikt sei so festgefahren, dass es bestenfalls darum gehen könne, die Gewalt auf beiden Seiten zu verringern.

„Man kann versuchen, extremistische Gruppen auf israelischer und palästinensischer Seite einzuhegen. Und zugleich sich darum bemühen, dass die israelische Regierung nicht weiter Fakten schafft, etwa beim Siedlungsbau und der Annexion palästinensischer Gebiete.“ Ein Friedensprozess, der diesen Namen verdiene, existiere ja ohnehin nicht mehr.

Deshalb müsste China eigentlich einen neuen Fahrplan zur Beendigung des Nahostkonflikts vorlegen. Das könnte eine Initiative sein, um sich von den USA abzusetzen, die in der arabischen Welt als pro-israelisch angesehen werden. „Aber zu sehen ist davon noch nichts.“

Wie werden Israel und die Palästinenser reagieren?

Fest steht: Der Konflikt mit den Palästinensern spielt im öffentlichen Diskurs schon lange keine relevante Rolle mehr. Der jüdische Staat hat sich mit dem Status quo arrangiert und ist wegen des Streits um die Justizreform derzeit vor allem mit sich selbst beschäftigt.

Den chinesischen Vorstoß öffentlich zurückzuweisen, wäre allerdings ein Affront gegenüber einem wichtigen Handelspartner und weltpolitischen Schwergewicht. Gerlach rechnet daher damit, dass die Führung in Jerusalem weder besonders positiv noch strikt ablehnend reagieren wird.

Unter Chinas Vermittlung haben sich die Kontrahenten Saudi-Arabien und Iran wieder angenähert.

© China Daily via Reuters

Die Palästinenser wiederum dürften die chinesischen Vermittlungsbemühungen prinzipiell wohlwollend zur Kenntnis nehmen. Jeder, der sich für ihre Belange und eine Zweitstaatenlösung einsetzt, ist bei der Autonomiebehörde herzlich willkommen. Gerade mit Blick auf die USA, die aus Sicht der Palästinenser durch ihre Nähe zum jüdischen Staat – vor allem unter Präsident Donald Trump – als „ehrlicher Makler“ ausgedient haben.

Von Euphorie aufseiten der Palästinenser kann allerdings keine Rede sein. In Ramallah dürften sich alle Verantwortlichen darüber im Klaren sein, dass Peking nicht über die Mittel verfügt, Israel zu Konzessionen zu bewegen.

Und was ist mit den USA, dem einstigen Dauervermittler in Nahost?

Daniel Gerlach geht davon aus, dass sich Washington vorläufig nicht im Nahostkonflikt engagieren wird, zumindest solange Benjamin Netanjahu Israels Regierungsgeschäfte führt.

Das persönliche Verhältnis zwischen Amerikas Präsidenten und Israels Premier ist zerrüttet.

Daniel Gerlach, Chefredakteur des Nahostmagazins „Zenith“

„Die Administration unter Präsident Joe Biden hofft anscheinend auf ein baldiges Ende der Koalition aus rechten, religiösen und rechtsextremen Kräften. Netanjahu setzt dagegen auf einen Sieg der Republikaner bei den nächsten Präsidentschaftswahlen. Zudem ist das persönliche Verhältnis zwischen Amerikas Präsidenten und Israels Premier zerrüttet.“

Hinzu kommt: Schon seit Jahren ziehen sich die USA Stück für Stück aus dem Nahen Osten zurück; das Interesse, in der Region etwas zu bewirken, ist merklich gesunken. Zugleich haben Amerikas Ansehen und Einfluss deutlich abgenommen.

Großmächte wie Russland haben das genutzt, um in der Region Einfluss zu gewinnen. Nun versucht auch China, den USA den Rang abzulaufen. Aber das allein dürfte kaum ausreichen, um den Nahostkonflikt zu lösen.

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