Ein Wort trifft auf Beton, ein Blankvers auf die bronzene Kühle der Deutschen Bank. Die Aprikosenbäume gibt es, um mit der großen dänischen Dichterin Inger Christensen zu sprechen, aber gibt es eine Atmosphäre für Lyrik am Potsdamer Platz?
Alle Artikel in „Kultur“ vom 16.07.2000
Historiker erliegen zuweilen der sehr menschlichen Verlockung, sich und ihre Arbeit zu überschätzen: Manchmal gerieren sie sich als Richter über die Vergangenheit und zugleich als Ratgeber für eine bessere Zukunft. Dass ihr Urteil derzeit tatsächlich so gefragt ist wie selten zuvor, zeigen indes aktuelle gesellschaftspolitische Debatten.
Die Weimarer Republik war die Epoche des Gesichts. Fotografen wie Psychiater, Maler, Regisseure, Kulturphilosophen, Kriminalisten und Rassentheoretiker teilten die gemeinsame Obsession, die Signatur der Epoche in den Gesichtern ihrer Zeitgenossen zu lesen.
Am Zeitungsstand konkurriert "Der unentbehrliche Reiseführer durch Karlsbad" mit dem benachbarten Ratgeber "Karlovy Vary. The Town of Film and Film Festivals".
Zu Pfingsten tagten sie wieder. Wie jedes Jahr veranstaltete die Sudetendeutsche Landsmannschaft ihr großes Treffen.
Im Bundestagswahlkampf 1998 entdeckte der SPD-Spitzenkandidat Gerhard Schröder die Wähler aus der "neuen Mitte" für sich - auch wenn keiner genau sagen konnte, wer dazugehörte. Doch die "Mitte" als politischer Bekenntnisbegriff ist keineswegs eine Erfindung sozialdemokratischer Wahlkampfstrategen: Die Anziehungskraft dieses gesellschaftlichen Konzepts lässt sich bis in die Weimarer Zeit zurückverfolgen.