zum Hauptinhalt
Kritiker des LNG-Terminals sind auf der Abgeordnetenreise nicht willkommen.

© dpa/Stefan Sauer

Exklusiv

Kein Platz für Kritiker: SPD-Pläne für Ausschussreise nach Rügen lösen Ärger aus

Nach einer Petition gegen das LNG-Terminal plant die SPD eine Reise des Bundestags-Petitionsausschusses nach Rügen. Ausgerechnet die Projektkritiker treffen die Abgeordneten nicht.

Von

Es kommt nur ein paar Mal im Jahr vor, dass sich Politiker aller im Bundestag vertretenen Parteien gemeinsam auf den Weg machen, um sich den Sorgen im Land zu stellen. Wenn also der Petitionsausschuss des Bundestags auf Reisen geht, ist dies eine der seltenen Ausnahmen.

Mal geht es zu einem US-Gefahrstofflager in der Südpfalz, mal zu einer Ersatz-Autobahn nach Lüdenscheid. Die große Politik aus Berlin zu Besuch bei den Problemen vor Ort. Am kommenden Montag wird der Petitionsausschuss nun nach Rügen reisen, um sich über das geplante LNG-Terminal zu informieren.

Nach dem Willen von Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) und Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) soll auf der Touristeninsel das fünfte Terminal für Flüssigerdgas entstehen, um die Versorgungssicherheit auch ohne russisches Gas und bei Engpässen sicherzustellen.

Man kann das schon als eine Art PR-Reise für das LNG-Terminal betrachten.

Marvin Müller, Juso-Chef in Mecklenburg-Vorpommern und Petent der Anti-LNG-Petition

Doch auf Rügen fürchtet man um das Idyll, das Menschen und auch geschützte Tiere anzieht. Bürgerinitiativen laufen Sturm, eine Petition erreichte in kürzester Zeit die nötigen Unterschriften, damit sich der Petitionsausschuss mit dem Fall beschäftigen muss.

Kritik an vermeintlicher Werbeveranstaltung

Dass Politiker von SPD, Union, Grünen, FDP, AfD und Linken nun nach Rügen kommen, sorgt jedoch trotzdem nicht für Freude auf der Insel. „Diese Ausschussreise ist nichts anderes als eine Werbeveranstaltung Pro Terminal“, schreibt der Bürgermeister der Gemeinde Binz, Karsten Schneider, an die Ausschussvorsitzende Martina Stamm-Fibich (SPD).

In dem Brief, der dem Tagesspiegel exklusiv vorliegt, drückt er seine „große Irritation und Ärger“ über das Programm aus. Tatsächlich scheinen die Politiker aus dem Bundestag auf Rügen mit wenig Konfrontation rechnen zu müssen.

Neben einem Besuch des Hafens von Mukran, der von dem neuen Terminal erheblich profitieren dürfte, treffen sie auch auf Vertreter der Deutschen Regas, die das Terminal betreiben wollen, und der Gascade, die für Verlegung der Rohre zuständig ist.

Mit dem Bürgermeister von Sassnitz wird zudem der einzige Bürgermeister Rügens getroffen, der sich nicht gegen das Bauvorhaben gestellt hat. „Für die umfassende Meinungsbildung der Abgeordneten vor Ort ist es doch zwingend erforderlich, ein ausgewogenes Programm zu organisieren“, kritisiert Schneider in seinem Brief an Stamm-Fibich.

Karsten Schneider (r.) macht seit Monaten gegen das LNG-Terminal auf Rügen mobil.

© Imago/Jens Koehler

Doch die SPD-Politikerin sieht sich gar nicht zuständig. Sie nehme nicht an der Reise teil und sei auch nicht in die Vorbereitung der Reise eingebunden. Auf Nachfrage verweist man in der SPD-Fraktion auf Bengt Bergt, den Delegationsleiter der Reise. Bergt hatte die Programmvorschläge erarbeitet. Dessen Büro sieht sich trotzdem nicht zuständig und verweist auf den Ausschussdienst.

Von der Pressestelle des Bundestages heißt es daraufhin wiederum, dass der Ausschussdienst die Reise zwar organisiere. Aber: „Grundlage dafür sind die Programmvorschläge des Delegationsleiters der Ausschussreise, Bengt Bergt.“ Der meldet sich nach Erscheinen dieses Artikels Online doch noch zu Wort. Kritische Stimmen würden durchaus gehört: „Wir haben neben dem Petenten zum Beispiel einen Vertreter des Tourismusverbandes Rügen sowie den Parlamentarischen Staatssekretär Heiko Miraß in Begleitung von Fachexperten aus dem Nationalpark Jasmund und dem Biosphärenreservat Südost-Rügen eingeladen.“

Der eingeladene Vorsitzende des Tourismusverbandes Rügen, Knut Schäfer, hatte allerdings im Frühjahr geäußert, dass er das Terminal im Hafen Mukran gar nicht grundlegend ablehne – wegen Schäfers Äußerungen waren mehrere Touristiker aus dem Verband ausgetreten. „Uns ist es ein Anliegen, bei der Reise möglichst sachlich Erkenntnisse einzuholen. Bei zu vielen Teilnehmern würden die einzelnen Perspektiven, auch die des Petenten, viel weniger zu Wort kommen. Dafür wäre eine klassische Bürgerversammlung das geeignete Format, was aber nicht die Aufgabe des Petitionsausschusses ist“, so Bergt.

Aus der Opposition kommt scharfe Kritik. Linken-Bundestagsabgeordnete Ina Latendorf sagte dem Tagesspiegel: „Das ist eine beispiellose und schamlose Instrumentalisierung dieses Ortstermins für die Positionen der Bundesregierung.“ Sie habe dem Delegationsleiter Bengt Bergt mehrere Vorschläge gemacht: Unter anderem Vertreter des Schifffahrtamtes und des Bergamtes Stralsund und eine ehemalige Linken-Bundestagsabgeordnete aus Rügen hätten sie einladen wollen.

Kein Platz für weitere Teilnehmer

„Der Delegationsleiter lehnte alle Vorschläge ab, mit zum Teil abstrusen Begründungen. So sei etwa das Rathaus in Sassnitz nicht groß genug für einen weiteren Teilnehmer und der Terminplan lasse eine Teilnahme weiterer Personen nicht zu.“ Bergt sagte dazu dem Tagesspiegel, die Vorschläge hätten ihn nicht rechtzeitig erreicht. Außerdem seien die Vorschläge Latendorfs weitgehend erfüllt, wenn auch nicht direkt: Anstelle des Schifffahrtsamts sei etwa als übergeordnete Bundesbehörde das Wirtschaftsministerium eingeladen.

Die Union, die den Termin beantragt hatte, verwies darauf, dass die SPD-Fraktion das Programm erarbeitet hat. „Nach meiner Kenntnis ist ein Austausch mit einzelnen Kritikerinnen und Kritikern nicht angedacht“, sagte Andreas Mattfeldt (CDU) dem Tagesspiegel. Er erwarte aber, dass dennoch kritische Stimmen gehört würden.

Auch der Petent, Marvin Müller, der gleichzeitig Juso-Chef in Mecklenburg-Vorpommern ist, wollte sich von einem Experten zu dem Termin begleiten lassen. Der Petitionsausschuss lehnte dies ebenfalls ab. „Mich als Petenten mussten sie wohl aus formellen Gründen einladen“, sagt Müller. „Man kann das schon als eine Art PR-Reise für das LNG-Terminal betrachten.“ Er werde aber trotzdem vor Ort sein, um die Interessen der Unterzeichner seiner Petition zu vertreten.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false