Selten seit Apollinaires "Gefolge des Orpheus" sind Tiere so bedichtet worden wie in Jürgen Theobaldys neuem Band "Immer wieder alles". Aber es ist ein hinterlistiges Bestiarium, das der in Bern lebende Lyriker uns da offenbart.
Alle Artikel in „Kultur“ vom 22.09.2000
In Hamburg brechen neue Theaterzeiten an. Frank Baumbauer verließ nach sieben Maßstäbe setzenden Jahren mit seinem Team das Deutsche Schauspielhaus.
Zehn Jahre liegt die Wiedervereinigung der ehemals "preußischen" und später in den getrennten Teilen Berlins "staatlichen" Museen zurück. In bester Erinnerung ist die Energie, mit der beide Seiten an der Zusammenführung arbeiteten, nicht zuletzt, weil auf der Museumsinsel, dem Herzstück der Berliner Museen, die Zeit drängte.
Die Menschenschlange vor den beiden Kartenschaltern windet sich durch die ganze Philharmonie-Vorhalle. Als hätten die aberhundert Kurzentschlossenen geahnt, dass der Schostakowitsch-Abend der Petersburger Philharmoniker zu einem der raren Festwochen-Höhepunkte werden würde.
The world is not enough. Nie.
Alte Leute erzählen immer die gleichen langweiligen Geschichten, denkt David, als er sich in der Schule zur Freiwilligengruppe "Adoption alter Menschen" meldet: Schließlich bleiben ihnen nur die Erinnerungen an das, was sie einmal getan haben. Doch als er regelmäßig den alten Herrn Rosental im Seniorenheim besucht, wird er rasch eines Besseren belehrt.
Deutschlands letzter Leuchtturmwärter ist schon lange in Pension. Auch anderswo in der Welt ist das so.
Ian Kershaw ist Autor einer umfassenden Biografie Adolf Hitlers, deren zweiter Band soeben erschienen ist ("Hitler 1936-1945", Deutsche Verlags-Anstalt Stuttgart). Der 1943 geborene Wissenschaftler ist Professor für Neuere Geschichte an der Universität Sheffield.
Manche Gemälde verhalten sich zum Abgebildeten wie jene Margarine zur Butter, die in der Werbung mit dem Slogan "Ich kann einfach nicht glauben, dass das keine Butter ist" angepriesen wird: Bei ähnlichem sinnlichen Eindruck ist nur der Fettgehalt geringer. Dagegen fordern andere, vor allem moderne Gemälde vom Betrachter mentale Kaubewegungen bis zur Kieferstarre, weil aus Farbton und Kontur erst eine Form erschlossen werden muss.
Man muss schon ein Freak sein, um sich Musik für Horn und Klavier von Carl Czerny zu kaufen. Zum Beispiel ein Fan der Salonmusik: Dann entdeckt man handwerklich perfekte, fetzige Schaustücke des Vielschreibers Czerny (über 1000 Werke!
Dies sind ja generell ein wenig lose Zeiten. Selbst die letzten Reservate des guten Geschmacks lösen sich auf, wie wir beispielsweise am Schicksal des deutschen Schlagers sehen.
"Anarchie in der Galerie" steht auf einem Gemälde von Jörg Immendorff geschrieben, das Ketterer bei seiner Auktion zeitgenössischer Kunst pünktlich zum "art forum" am 29. September am Pariser Platz versteigert.
Korruption und Chaos, Mafiosi und Mörder, Waffen- und Drogenhandel: Vor diesem Hintergrund siedelte Andrej Kurkow seinen hoch gelobten Roman "Picknick auf dem Eis" an, eine gallige Satire auf die Dekadenz und Brutalität der postsowjetischen Gesellschaft, mit der Kurkow 1999 im deutschsprachigen Raum bekannt wurde. Viktor, der moralisch zweifelhafte Held dieses düsteren Buches, entzieht sich der ukrainischen Tristesse durch die Flucht aus Kiew.
In der Nacht füttert Jokubas Josade den Ofen mit seinen Tagebüchern und Büchern, und am Morgen leert er selbst die Ascheimer, aus Angst, das Hausmädchen könnte dem verbrannten Papier auf die Spur kommen. Das macht er so lange, bis all die jüdischen Autoren, die gerade wieder einmal von Stalin als Zionisten und Kosmopoliten durchs Land gejagt werden, aus seiner Bibliothek verschwunden sind.
Elektronische Bücher und erstmals auch Comics sollen auf der diesjährigen Frankfurter Buchmesse neue Akzente setzen. Angemeldet haben sich insgesamt 6791 Ausstelleraus 106 Ländern, ein Prozent mehr als 1999.
Sehnsucht. Ein Wort, ein Wesenszug.
Ab jetzt ist Moll angesagt. Das Wetter trüb, die Winde rau - was nützen da bunt fallende Blätter?
Die "Biennale des Antiquaires" ist die prestigereichste Messe für Kunst und Antiquitäten in Frankreich. Gemälde, Möbel, Kunsthandwerk, Antiken, Asiatika, Manuskripte, Teppiche, Waffen und Münzen werden dort von französischen Kunsthändlern und führenden ausländischen Kollegen angeboten.
Die Junggaleristin Giti Nourbakhsch war kaum vom Prenzlauer Berg nach Mitte an den Rosenthaler Platz gezogen, die Farbe an den Wänden gerade getrocknet, da tobte auch schon die Berliner Kunstszene über ihren neugelegten und kaum gehärteten Teerboden. Teerfußboden mit dem Monza-Drive gibt es sonst nur an den alleredelsten Adressen.
"Und wenn die Zeit kommt, werde ich die Tarnkleider meines Endes anziehen:/ Weiß der Wolken, viel Blau des Himmels/ Und Sterne ohne Zahl." Mit dieser unauffälligen Hommage an die Flagge der Heimat Israel endet ein Gedicht Jehuda Amichais, in dem er eine durchaus zwiespältige Bilanz seiner jungen Jahren zieht ("Was habe ich in den Kriegen gelernt").
Das ist schon ein befremdlicher und programmatischer Titel, den Michel Houellebecqs 1998 erschienener Roman trägt: "Ausweitung der Kampfzone". Und "Kampfzone" ist für den jungen Informatiker, der bei einer Pariser Software-Firma arbeitet, alles.
Ein Jubiläum kommt selten allein. War es vor wenigen Tagen der 50.
Oft schon haben wir an dieser Stelle von Reverend Dub berichtet. Mit bürgerlichem Namen heißt er Nicolai Beverungen und betreibt in Hamburg das Label Echo Beach, eine Klangschmiede für Pretiosen aus dem Reich der fliegenden Echos.
Gary Todd wächst mit seinen Aufgaben. Der kalifornische Enthusiast will demnächst die gesamten Überbleibsel der legendären "Smile"-Sessions der Beach Boys historisch-kritisch aufbereiten.
Im späten 20. Jahrhundert wurde im Theater eine neue Spezies entdeckt: der Marthaler.