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Franziska Giffey (SPD, r.), Regierende Bürgermeisterin von Berlin, spricht während der Klausurtagung der SPD-Fraktion des Berliner Abgeordnetenhauses mit Astrid-Sabine Busse (SPD), Berliner Senatorin für Bildung, Jugend und Familie.

© dpa / Fabian Sommer

Update

„Das ist nicht wirklichkeitsnah“: Giffey hält autofreie Berliner Innenstadt für unrealistisch

Auf einer Klausur in Nauen schwört sich die SPD auf die heiße Phase des Wahlkampfs ein. Inhaltlich stehen die Gesundheitsversorgung und die soziale Teilhabe im Mittelpunkt.

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Die SPD geht mit einer Reihe gesundheits- und sozialpolitischer Forderungen in die heiße Phase des Wahlkampfs. Die Regierende Bürgermeisterin Franziska Giffey (SPD) sprach sich am Sonnabend während einer Fraktionsklausur der SPD im brandenburgischen Nauen unter anderem für den Bau einer neuen Kinderklinik in Berlin aus. „Das hat die Chance, eines der modernsten Häuser zu werden“, sagte Giffey.

Die Charité plant derzeit auf ihrem Campus in Wedding eine neue Kinderklinik. Die Finanzierung ist noch nicht geklärt. Giffey sprach sich dafür aus, auch den Bund und private Investoren bei dieser Frage mit einzubeziehen. Auch bereits bestehende Kinderkliniken in Berlin sollen mehr Geld erhalten.

Die SPD-Politikerin betonte, dass die Gesundheitsversorgung in der Stadt verbessert werden müsse. Die Kinderintensivmedizin nannte sie ein „Sorgenkind der Gesundheitsversorgung“. Vergangenes Jahr waren in Berlin und anderen Regionen Deutschlands Kinderbetten in Krankenhäusern knapp. „Eltern mussten sich Sorgen machen, ob es ein freies Bett für ihr Kind gibt“, sagte die gesundheitspolitische Sprecherin der SPD-Fraktion, Bettina König. „So geht es nicht.“

Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) hatte Anfang Dezember 2022 eine Krankenhausreform angekündigt, mit der die Finanzierung der Kliniken grundlegend überarbeitet werden soll. Unter anderem soll die Kindermedizin aus dem sogenannten Fallpauschalensystem, das feste Vergütungen für vergleichbare Behandlungen vorsieht, gestrichen werden. Viele Krankenhäuser hatten Plätze für Kinder abgebaut, weil sich die pflegeintensive Kinder- und Jugendmedizin in diesem System finanziell nicht lohnt. Giffey sagte, von einer Reform könne auch Berlin profitieren.

Zu den weiteren gesundheitspolitischen Forderungen der SPD gehören: die Schaffung eines mobilen kinderärztlichen Bereitschaftsdienst, mindestens ein ambulanter niedergelassener Notdienst in jedem Bezirk, mehr Geld für die Leitstellen des Ärztlichen Bereitschaftsdienstes und die Ausweitung der Öffnungszeiten der bestehenden Notdienstpraxen.

Fokus auf Seniorinnen und Senioren

Neben der Gesundheitsversorgung steht auf der zweitägigen Fraktionsklausur das Thema soziale Teilhabe von Seniorinnen und Senioren im Mittelpunkt. „Eine Gesellschaft wird sich nur tragen, wenn Jung und Alt gleichermaßen berücksichtigt werden“, sagte Giffey. Die SPD fordert unter anderem die Einführung eines Pflegewohngelds, das Bewohner vollstationärer Pflegeeinrichtungen entlasten soll. Außerdem soll neben den bereits bestehenden jährlich zwölf eintrittsfreien Sonntagen in Berliner Museen für alle Berliner ein zusätzlicher eintrittsfreier Mittwoch pro Monat für Menschen über 60 Jahre eingeführt werden.

Wir müssen wegkommen von der Frage, inwieweit eigentlich jemand richtiger Berliner ist.

Franziska Giffey

Die Regierende Bürgermeisterin äußerte sich auch erneut zu den Ausschreitungen in der Silvesternacht. „Die Probleme, auch in der Silvesternacht, dürfen wir nicht kleinreden“, sagte Giffey. Angriffe auf Einsatzkräfte seien „niemals akzeptabel“, egal aus welchen Gründen sie stattfinden würden.

Gleichzeitig wiederholte Giffey ihre Kritik an der Berliner CDU, die die Vornamen der deutschen Festgenommen in der Silvesternacht erfragen wollte. „Wir müssen wegkommen von der Frage, inwieweit eigentlich jemand richtiger Berliner ist“, sagte Giffey. „Ich kann nicht akzeptieren, dass der Name darüber entscheidet, ob ich jemanden als guten oder schlechten Menschen einstufe.“

Giffey schwor die Fraktion in ihrer Rede schließlich auf die heiße Phase des Wahlkampfs ein. „Lassen wir uns nicht beirren von Umfragen und Klickzahlen“, sagte die SPD-Spitzenkandidatin. In einer aktuellen Umfrage liegt die SPD bei 18 Prozent, gleichauf mit den Grünen und vier Prozentpunkte hinter der CDU. In Richtung der anderen Parteien sagte Giffey: „All denjenigen, die jetzt schon verteilen, was noch nicht erreicht wurde, sagen wir: Wir werden sehen, was am Ende rauskommt.“

Giffey will Umstieg auf Bus und Bahn attraktiv machen

Franziska Giffey plädiert dafür, den Nahverkehr in Berlin deutlich auszubauen und auf diesem Weg den Autoverkehr zu verringern. „Angebote statt Verbote – das muss unser Credo sein“, sagte Giffey der Deutschen Presse-Agentur am Samstag bei der Klausur der SPD-Fraktion im brandenburgischen Nauen. „Wenn der öffentliche Nahverkehr attraktiv und bezahlbar ist, dann werden die Leute umsteigen“, so die SPD-Landesvorsitzende. „Deswegen ist unser 29-Euro-Ticket auch so wichtig.“

Vor allem wenn Berlin in den kommenden Jahren weiter wachse, sei es sinnvoll, ein berlinweites Ticket für nur einen Euro pro Tag anzubieten. „Dann glaube ich, dass Leute, die neu in die Stadt ziehen sagen: „Super Angebot, dann brauche ich das Auto gar nicht.““, sagte Giffey. Und zwar auch diejenigen, die vom Land, wo sie auf das Auto angewiesen waren, nach Berlin kommen. Genauso wichtig seien gute Carsharing-Angebote und eine gute Ladeinfrastruktur für Elektroautos. „Das muss unser Ziel sein, dass wir so gute Alternativen haben, dass die Leute sagen, ich verzichte aufs Auto.“

Kritik übte Giffey an Vorschlägen von den Grünen: „Auf jeden Fall kann man es sich nicht so einfach machen, wir halbieren die Zahl der Parkplätze, und dann werden es schon weniger Autos“, sagte sie. „Das ist Wunschdenken, aber keine wirklichkeitsnahe Politik.“ Grünen-Fraktionschef Werner Graf hatte ins Gespräch gebracht, die Zahl der öffentlichen Parkplätze innerhalb von zehn Jahren zu halbieren.

Bestätigt sieht sich Giffey von den Ergebnissen einer Umfrage im Auftrag der FDP-nahen Friedrich-Naumann-Stiftung, über die zuerst der „Tagesspiegel“ (Samstag) berichtet hatte. Dabei gaben 60 Prozent der Befragten aus Berlin an, Straßen müssten weiter ausgebaut werden, weil das Auto in der Stadt unverzichtbar sei. Nur 30 Prozent stimmten der Aussage zu, die Innenstadt solle autofrei sein, 57 Prozent gaben an, der ÖPNV sei gut, aber zu teuer.

Die Vorstellung einer autofreien Innenstadt hält Giffey in Berlin für unrealistisch. „Wir leben in einer fast Vier-Millionen-Metropole, und wir haben zwölf Großstädte, die jeweils ihre Zentren haben“, sagte sie. „Die Fläche der Stadt ist einfach so riesig, und es gibt viele Menschen, die auf das Auto angewiesen sind.“ Um die Mobilitätswende zu erreichen, sei es die falsche Frage, wie sich aus einer Metropole wie Berlin Autos komplett verbannen ließen. „Das ist nicht wirklichkeitsnah“, sagte Giffey.

Zuvor hatte bereits SPD-Fraktionschef Raed Saleh die Wahl als „echte Richtungswahl“ bezeichnet. Es gehe bei der Wahl am 12. Februar um mehr als die „Korrektur vermeintlicher Wahlfehler“, sagte Saleh. Der SPD-Politiker lobte die Arbeit seiner Partei im vergangenen Krisenjahr und verwies dabei auf zahlreiche Entlastungen wie das 29-Euro-Ticket. Die Berlinerinnen und Berliner würden bei der Wahl auch entscheiden, ob es bei der „Politik der bezahlbaren Stadt“ bleibe, sagte Saleh. (mit dpa)

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