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Kein Traumpaar für die nächste Bundestagswahl: der CDU-Vorsitzende Friedrich Merz und grüne Außenministerin Annalena Baerbock.

© dpa/picture alliance; Montage: TSP

Die CDU und der Rechtsruck in Europa: Schwarz-Grün hat ausgeträumt

In Finnland, Schweden, Italien, Polen und Ungarn geht der Trend zu Rechtsaußen-Regierungen – nächsten Sonntag wohl auch in Spanien. Das hat Folgen für Deutschland und den Unionskurs.

Ein Kommentar von Christoph von Marschall

Betreibt Deutschland nationale Nabelschau und ignoriert, was sich rundum in Europa tut? Die CDU agiert, als lebe sie auf einer Insel. Sie wechselt ihren Generalsekretär aus, streitet über die Brandmauer zur AfD, eine Tolerierung der Linken zumindest in Thüringen und darüber, ob die Grünen als Koalitionspartner oder als Hauptgegner zu betrachten sind.

Der Trend in Europa ist eindeutig. Nahezu überall lösen Politikansätze breiten Unmut aus, die als „grün“ oder progressiv gelten und vor Jahren auf Empathie bis weit in die politische Mitte stießen: eine „weiche“ Asyl- und Migrationspolitik, Vorrang der Klimaziele vor sozialen und ökonomischen Belangen, forcierte Kulturkämpfe um Frauenförderung, Gendern, sexuelle Minderheiten und Antirassismus.

Im Norden, Süden und Osten der EU gewinnen konservative Kräfte bis hin zum rechten Rand Wahlen, lösen Mitte-Links-Regierungen ab oder bauen die bereits eroberte Macht weiter aus. Vielerorts ist das Tabu gefallen, mit rechtsradikalen und nationalchauvinistischen Parteien zu koalieren oder sich von ihnen tolerieren zu lassen. Zum Beispiel in Finnland und Schweden.

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Spanien vor dem Machtwechsel

Nach den Wahlen am kommenden Sonntag wird das wohl auch in Spanien so kommen. In Italien regiert Georgia Meloni an der Spitze der „Brüder Italiens“ trotz deren faschistischer Vergangenheit. In Griechenland hat Kyriakos Mitsotakis gerade mehr Stimmen geholt als beim Wahlsieg gegen die Linke 2019.

In Ungarn sitzt Viktor Orbán fest im Sattel. In Polen darf die PiS trotz ihrer Skandale hoffen, nach der Wahl Mitte Oktober an der Regierung zu bleiben. Die Slowakei wird wohl 2024 nach rechts kippen.

Nahezu überall sind die Themen, die die Wähler zu den Konservativen und Rechtsextremen treiben: Migration und Asyl, Energiepreise und Klimapolitik sowie die identitätspolitische Gängelung. Das Gegenbeispiel Dänemark ist die Ausnahme, die die Regel bestätigt: Die Sozialdemokratin Mette Frederiksen gewann dank ihres restriktiven Umgangs mit Migration.

Widerstand gegen grüne Projekte auf EU-Ebene

Im Europäischen Parlament wagten Manfred Weber (CSU) und seine Parteienfamilie EVP nun eine Machtprobe. Bisher hatten sie den grünen Kurs der Kommission unterstützt. Nun stimmten sie mit Rechtspopulisten, ganz rechten EU-Gegnern und Agrarpolitikern gegen das „Nature Restoration Law“. Es verbietet Landwirten die Nutzung eines Teils der Flächen, um Ökosysteme zu schützen. Weber scheiterte nur knapp.

Die große Mehrheit der nationalen Regierungen bekämpft den „Green Deal“ der Kommission. Sie senken die Kosten des Heizens und Tankens durch Steuernachlässe und Subventionen, statt den Energieverbrauch zu verteuern.

Kooperation mit der AfD? Geht gar nicht

Was bedeute das alles für die CDU? Deutsche ticken wohl nicht völlig anders als Finnen, Italiener, Schweden und Spanier. Sie werden sich dem europäischen Trend nicht generell entziehen. Ein Sonderfall ist Deutschland wegen der Nazi-Vergangenheit. Die Union darf nicht mit der AfD kooperieren, mit ihr koalieren oder sich von ihr tolerieren lassen.

Aber sollte das nicht auch mit Blick auf die Linke gelten? Bodo Ramelow in Thüringen ist ein Ausnahmefall und kein Grund, die Erben der SED generell als verfassungstreu und koalitionswürdig zu betrachten.

Wenn die Union ein Erstarken der AfD verhindern will, muss sie sich deutlicher von den Grünen und der SPD abgrenzen. Nur wenn sie eine inhaltliche Alternative bietet, wird sie Unzufriedene davon abhalten, ihren Protest gegen den Regierungskurs durch ein Kreuz bei der AfD auszudrücken, weil sich die CDU zu wenig von den Ampelparteien unterscheide. Mit einem schwarz-grünen Schmusekurs ist das nicht zu erreichen.

Es ist zwar nicht klug, die Grünen kurz vor der Wahl in Hessen zum Hauptgegner zu erklären. Dort funktioniert das Bündnis gut. Aber abgesehen von Hessen und Baden-Württemberg, wo Winfried Kretschmann oft wie ein CDU-Mitglied handelt, wendet sich vielerorts ein Furor gegen die Grünen.

Der Streit um das Heizungsgesetz und der Widerstand gegen den Asylkompromiss der EU haben den Glauben an ihren Regierungspragmatismus dauerhaft beschädigt. Im Land Berlin haben die Grünen mit ihrer Klima- und Verkehrspolitik, die viele als ideologischen Kampf gegen das Auto verstanden, der CDU den Vorsprung beschert, der Kai Wegner zum Regierenden machte. Die erdrückende Mehrheit der Deutschen hat kein Verständnis, warum Grüne sich so schwertun, die Blockaden der Letzten Generation als Straftaten zu verurteilen.

Schwarz-Grün als Traumkoalition für Deutschlands und Europas Zukunft? Das war einmal.

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